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„Die Leistungspalette ist außergewöhnlich“

Im Gespräch: Prof Dr. Cornelius Knabbe, Direktor des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin und stellvertretender Ärztlicher Direktor des HDZ NRW.

 

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Prof Dr. Cornelius Knabbe, Direktor des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor des HDZ NRW.

Herr Professor Knabbe, wie umfassend ist die Leistungspalette Ihres Instituts?

Die ist sicherlich ganz außergewöhnlich, sowohl hinsichtlich der Anforderungen als auch der Qualität der Leistungen. Zum einen betrifft sie das Leistungsspektrum als Zentrallabor des HDZ NRW, das auch zahlreiche Kliniken und Praxen in der Region mit Laborleistungen versorgt und – einschließlich der Mikrobiologie – auch die Transfusionsmedizin umfasst. Zum anderen erfüllt unser Universitätsinstitut wichtige Aufgaben in der Lehre und Forschung und ist als Referenzinstitut der Bundesärztekammer sowie über die Fachgesellschaften eingebunden bei Fragen der Qualitätssicherung und der wissenschaftlichen Arbeit. 

Als akkreditierter Labordienstleister bearbeiten wir auch sämtliche Einsendungen von regionalen Zuweisern und darüber hinaus kardiogenetische Proben, bei denen es um genetische Faktoren bei Herzerkrankungen geht. Der Institutsteil für Transfusionsmedizin beschäftigt sich mit allen Bereichen, die mit Blut zu tun haben. Wir versorgen neben unserer eigenen Klinik in einem Umkreis von rund 50 Kilometern auch fast alle Kliniken in der Region mit dringend benötigten Blutkonserven. Das Gebiet umfasst unter anderem die Städte Bielefeld, Bünde, Detmold, Gütersloh, Herford, Höxter, Lippstadt, Minden und Paderborn. Insgesamt geben wir pro Jahr rund 100.000 Blutprodukte in diese Häuser, von denen wir einen großen Teil selbst herstellen. Wir haben neben dem großen universitären Blutspendedienst hier in Bad Oeynhausen vier weitere Standorte in der Region. Dazu kommen verschiedene Kooperationspartner, die uns im Bedarfsfall unterstützen.

Verfügen Sie stets über Blutkonserven mit allen benötigten  Blutgruppen? 

Ja, wir haben als Vollversorger ein sehr großes Depot, das alle benötigten Blutgruppen enthält.  

Wo stehen Sie bei der Versorgung der Patienten?

Wir sind letztlich die Versorger mit Blut und Laborleistungen, die sicherstellen, dass die Kolleginnen und Kollegen optimal arbeiten können. Anders als etwa der Herzchirurg sind wir nicht direkt am Patienten. Vielmehr liefern wir die sicher ausgetesteten Blutprodukte, die für den jeweiligen Eingriff benötigt werden. Wir stehen bei der Behandlung der Patienten zwar eher im Hintergrund, sind aber gleichwohl ein fester und elementarer Bestandteil der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Welche Untersuchungen werden in Ihrem Labor durchgeführt?

Wir untersuchen Parameter aus allen Bereichen der Laboratoriumsmedizin. Dazu zählen neben Blut- und Leberwerten zum Beispiel auch Enzyme sowie Fett- und Zuckerwerte. Dazu kommen spezielle Marker für einen Herzinfarkt und endokrinologische Parameter für unser Gefäßzentrum. Darüber hinaus führen wir sämtliche Infektionsuntersuchungen durch, mit denen man zum einen bakterielle Erreger direkt nachweisen kann – etwa um festzustellen, durch welchen Erregerkeim eine Lungenentzündung ausgelöst wurde und mit welchem Antibiotikum man dem Patienten dann am besten helfen kann. Zudem können wir mit serologischen Verfahren durch die Bestimmung von Antikörpern im Blut unter anderem nachweisen, ob eine Lungenentzündung durch eine Infektion mit Chlamydien oder durch andere Auslöser entstanden ist. Nicht zuletzt verfügen wir über ein sehr großes und leistungsfähiges PCR-Labor, mit dem sich mittels Abstrichen oder Blutuntersuchungen unter anderem Corona-Erreger nachweisen lassen.  

Was ist mit Blutuntersuchungen? 

Das ist der dritte große Bereich unserer Leistungspalette. Die Sicherheitsdiagnostik im Hinblick auf mögliche Infektionserreger in den verwendeten Blutkonserven führen wir hier im Haus selbst durch. Das bedeutet, dass jede einzelne Blutspende auf verschiedene Infektionsparameter untersucht werden muss. Mit Hilfe der PCR-Technik können wir beispielsweise die Erreger von HIV sowie Hepatitis B oder C sicher identifizieren. Vor einer Transfusion führen wir darüber hinaus immer eine individuelle Verträglichkeitsüberprüfung des dafür vorgesehenen Blutes durch.

Kann die Verträglichkeitsprüfung des Blutes lebensrettend sein? 

Ja. Damit soll zunächst vermieden werden, dass der Patient eine Unverträglichkeitsreaktion gegen eine Blutkonserve entwickelt. Durch den Einsatz einer zum Patienten passenden Blutgruppe können bedrohliche Nebenwirkungen in 99,9 Prozent der Fälle vermieden werden. Dessen ungeachtet verbleibt eine gewisse Restunsicherheit, weil es abgesehen von den Blutgruppen auch Sensibilisierungen gegen andere Blutgruppenmerkmale geben kann. Deshalb wird jede Blutkonserve mit speziellen Verfahren vor ihrem Einsatz darauf untersucht, ob sie verträglich für den jeweiligen Patienten ist.  

Gibt es neue Techniken, die noch schnellere und genauere Analysen ermöglichen? 

Ja, und die haben wir bereits im HDZ eingeführt. Das eine ist, dass wir im Bereich der klinischen Chemie sowie bei den Herzinfarkt- und Tumormarkern eine weitgehende Vollautomatisierung erreicht haben. Die eingesendeten Proben werden in einer hochkomplexen Anlage prozessiert. Das heißt, sie werden zuerst elektronisch erfasst und zentrifugiert. Anschließend wird das Blut ebenfalls vollautomatisch in einzelne Überstände getrennt. Das so entstandene Plasma wird über ein Schienensystem verschiedenen Analysatoren zugeführt, die zum Beispiel die Werte für Natrium, Kalium oder Troponin bestimmen und auch feststellen, wie gut die Gerinnung funktioniert. Das Ganze bewirkt eine Prozessoptimierung- und Standardisierung, was wiederum zu einer besseren Planbarkeit und Beschleunigung der Abläufe führt. Wenn nötig sind wir in der Lage, innerhalb von höchstens 45 Minuten bis zu 130 Parameter sicher und präzise zu bestimmen.  

Was ist die zweite wichtige Neuerung?

Das ist die so genannte Hochdurchsatz-PCR-Technik, die den Nachweis verschiedener Erreger deutlich erleichtert. Das hat uns während der Corona-Zeit sehr geholfen. In der Hochphase der Pandemie konnten wir bis zu 5.000 Untersuchungen pro Tag durchführen. Das ist sicher auch im bundesweiten Vergleich ein Spitzenwert.

Werden die Untersuchungen grundsätzlich nach Eingangsdatum erstellt?

Hier gilt zunächst das Prinzip First in – First out. In der praktischen Laborarbeit gibt es bestimmte Parameter, die vergleichsweise schnell innerhalb von fünf bis zehn Minuten erstellt werden können. Andere Analysen etwa im Bereich der klinischen Chemie werden unter Einsatz der oben genannten vollautomatisierten Anlage erstellt. Auch diese Aufträge werden zu 98 Prozent innerhalb von höchstens 45 Minuten abgearbeitet. Wichtig ist dabei, dass unser Institut mit seinen rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an jedem Tag des Jahres rund um die Uhr voll funktionsfähig im Einsatz ist.

Ist es im HDZ schwierig, auch teure technische Neuerungen  umsetzen zu können? 

Nein – vorausgesetzt, es gibt aus medizinischer Sicht gute Argumente für die Investition. In Abstimmung mit der Geschäftsführung konnten wir in meiner Zeit am HDZ bislang alles anschaffen, was ich für sinnvoll, machbar und auch wirtschaftlich vertretbar hielt. Hier wissen alle, wie wichtig das Labor für das HDZ ist.

Erwarten Sie weitere Verbesserungen im Bereich der  Labortechnik? 

Im Bereich der Laboratoriums- und Transfusionsmedizin haben wir am HDZ mit der Vollautomatisierung der Routineanalytik bereits vor rund acht Jahren einen wichtigen Technologiesprung umgesetzt. Künftig wird sicher noch der eine oder andere Parameter hinzukommen, der es möglicherweise noch leichter machen wird, einen Herzinfarkt oder eine Herzschwäche noch frühzeitiger erkennen zu können. Einen weiteren Schub hat es vor knapp fünf Jahren mit der eben erklärten Automatisierung der Hochdurchsatz-PCR gegeben. In den nächsten Jahren erwarten wir zum Beispiel neue Verfahren im Bereich der Kardiogenetik. Dabei stehen schwere Herzerkrankungen im Fokus, die vor allem genetisch festgelegt sind. In diesem Bereich sind wir an Forschungsarbeiten beteiligt, die eine weiter verbesserte Diagnostik ermöglichen werden.

Welchen Stellenwert hat die Forschung in Ihrem Institut?

Der Stellenwert der Forschung ist bei uns sehr hoch. Wir haben mehrere Forschungsschwerpunkte. Ein Bereich ist die Sicherheit der Blutprodukte. Wir forschen seit vielen Jahren daran, wie man die Restunsicherheit für die Infektionsübertragung durch Blutprodukte weiter minimieren kann. Beispielsweise haben wir mit unserer Forschungsarbeit die Grundlage dafür gelegt, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern seit einigen Jahren verpflichtende Untersuchungen auf das Hepatitis E-Virus vorgeschrieben sind. Dies ist ein Beispiel unserer Forschungsarbeiten, die direkten Einfluss auf die Krankenversorgung haben. Darüber hinaus arbeiten wir in der Grundlagenforschung etwa daran, die Funktion kardialer Stammzellen besser verstehen zu können. Damit kann die Herzmedizin ein neues Tool für die Entwicklung neuer Therapien gewinnen. Ein dritter Forschungsschwerpunkt ist der Bereich der Blutgerinnung, wo wir unter anderem untersuchen, warum Blutplättchen in manchen Fällen nicht wie erwartet funktionieren.

Was ist für Sie ein angenehmer Arbeitstag?

Wenn es gelingt, die an uns gestellten Anforderungen präzise und zeitgerecht zu erfüllen, so dass wir sicher sein können, unseren Beitrag für eine optimale Behandlung der Patienten geleistet zu haben. Sehr wichtig ist mir auch, dass unsere Mitarbeitenden zufrieden sind. Dazu gehört, dass wir durch unsere Prozessorganisation sicherstellen, dass der Stress auch in Spitzenzeiten nicht zu groß wird. Ein guter Tag ist für mich nicht zuletzt auch, wenn genügend Blutspenderinnen und Blutspender zu uns kommen, um die Versorgung gewährleisten zu können. Das Gleiche gilt, wenn unsere Forschungsarbeiten in einem renommierten wissenschaftlichen Journal gewürdigt werden. Das ist für uns natürlich immer ein herausragender Erfolg, weil dies auch international die Beachtung und Anerkennung von Fachkollegen bedeutet.

Warum ist das HDZ für Sie die erste berufliche Wahl?

Ich war vor meinem Wechsel im Jahr 2010 zum HDZ NRW bereits Professor an der Universität Hamburg und Chefarzt am Robert Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Am HDZ finde ich sehr gute Möglichkeiten zur Entfaltung und Gestaltung vor, die noch einmal deutlich besser als an anderen Instituten sind. Wir haben hier ein tolles Team, mit dem die Arbeit sehr großen Spaß macht und mit dem wir in den letzten 13 Jahren auch im Forschungsbereich sehr viel erreicht haben. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die bei uns vertretenen Ordinarien sehr effektiv zusammenarbeiten und auch das menschliche Verhältnis sehr angenehm ist. Das Ganze ist einfach ein harmonisches Miteinander. Ich bereue es keine Sekunde, hier zu sein.

Würden Sie das Motto „Medizinische Kompetenz und menschliche Nähe“ auch als Stellvertretender Ärztlicher Direktor des HDZ unterschreiben? 

Ja, auf jeden Fall. Dass dieses Motto zu uns passt, erlebe ich auch in unserem Uni.Blutspendedienst OWL jeden Tag. Unsere Kartei umfasst immerhin mehr als 45.000 Freiwillige, die ja nur deshalb regelmäßig zu uns kommen, weil sie unsere Arbeit im HDZ schätzen und sich bei der Blutspende gut aufgehoben fühlen.

Univ.-Prof. Dr. med. Cornelius Knabbe

Prof Dr. Cornelius Knabbe hat sein Studium der Medizin an der Universität Hamburg 1982 mit der ärztlichen Prüfung und Approbation als Arzt abgeschlossen. Im Anschluss hat er im Rahmen seiner Weiterbildung zum Facharzt für Laboratoriumsmedizin in verschiedenen Abteilungen im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf gearbeitet. In seiner späteren Laufbahn erwarb er auch die Qualifikation Facharzt für Transfusionsmedizin. Von 1984 bis 1987 hat Prof. Knabbe im Rahmen eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft am National Cancer Institute in Maryland (USA) an Forschungsprojekten zu den Themen Molekularbiologie und Transformierende Wachstumsfaktoren teilgenommen.  

1990 erhielt Prof. Knabbe die Venia Legendi für Klinische Chemie im Fachbereich Medizin der Universität Hamburg, 1995 die Ernennung zum Universitätsprofessor. Von 1998 bis 2010 war Prof. Knabbe Chefarzt der Abteilung für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart.  

Seit 2010 ist er Direktor des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin im HDZ NRW und Lehrstuhlinhaber für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin an der Ruhr-Universität Bochum. Zudem ist er Stellvertretender Ärztlicher Direktor des HDZ NRW und des Verbands Klinikum der Ruhr-Universität. Prof. Knabbe ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Laboratorien und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Plasmapherese sowie der Arbeitsgemeinschaft Staatlich-Kommunale-Blutspendedienste. Er ist Mitglied des ständigen Arbeitskreises „Hämotherapie“ der Bundesärztekammer, darüber hinaus aktiv in der Qualitätssicherung in der Laboratoriumsmedizin durch seine Funktionen als Vorsitzender der Fachgruppe „Qualitative laboratoriumsmedizinische Untersuchungen“ der Bundesärztekammer sowie als stellvertretender Vorsitzender des Fachbeirats „Gesundheit und Forensik“ des Akkreditierungsbeirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beteiligt.

Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Prof. Knabbe unter anderem mit dem Schoeller-Junkmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und mit dem Innovationspreis Medizintechnik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ausgezeichnet.    

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