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Fortschritt mit KI-gestützten Verfahren

Im Gespräch: Prof. Dr. Wolfgang Burchert, Direktor des Instituts für Radiologie, Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung.

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Prof. Dr. Wolfgang Burchert ist Direktor des Instituts für Radiologie, Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung.

Welche Schwerpunkte deckt Ihr Institut im HDZ ab?

Wir sind zuständig für die bildgebende Diagnostik mit den Bereichen Radiologie und Nuklearmedizin. Insbesondere im CT- und im MRT-Bereich hat es hier innerhalb der letzten Jahre umfassende Weiterentwicklungen gegeben. Bislang waren vor allem die nuklearmedizinischen Perfusionsverfahren und das PET wichtige Elemente der bildgebenden Diagnostik. Das HDZ hat immer sehr großen Wert auf solch moderne Bildgebungsverfahren gelegt, um eine möglichst sichere und schonende Diagnostik sicherstellen und ein entsprechendes Therapiemonitoring durchführen zu können. 

Dient die Geräteausstattung ausschließlich der Diagnostik oder ist sie auch Teil der Therapie?

Es handelt sich überwiegend um Diagnostik. Zum Beispiel wird bei der Implantation von Aortenklappen per Katheter die Biometrie der Aortenwurzel vermessen. Zudem wird ermittelt, ob es Verengungen in den benachbarten Koronargefäßen gibt. Mit Hilfe dieser Daten kann man die optimale Klappe auswählen.

 

Sie können also bis ins kleinste Gefäßdetail ins Körperinnere hineinschauen?

Ja. Das CT verfügt über eine Auflösung von etwa 0,5 Millimeter. Das bedeutet, dass man mit diesem Gerät das Gleiche wie mit den eigenen Augen sehen kann. Die Entwicklung geht hier ständig weiter – und das mit hoher Geschwindigkeit. Das gilt insbesondere für Verfahren, bei denen Künstliche Intelligenz bei der Auswertung und Segmentierung der Bilder sowie auch für die Erstellung der Diagnose genutzt wird. Nach meiner Einschätzung wird die Künstliche Intelligenz künftig unabdingbar in der Diagnostik und bei vielen klinischen Verfahren sein. Die Patienten werden davon stark profitieren, weil sich die Behandlungsergebnisse durch den vermehrten Einsatz der Künstlichen Intelligenz weiter verbessern werden.

Was ist der konkrete Benefit für den Patienten? 

Der Hauptgewinn an Qualität ist, dass wir in der Diagnostik deutlich weniger Ausreißer haben und hier ein gleichmäßig hohes Niveau erreichen. Zudem können wir mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz in vielen Bereichen mit wesentlich kürzeren Untersuchungszeiten mit noch genaueren Ergebnissen rechnen.

Ist die Künstliche Intelligenz, die KI, mitunter effektiver  als der Arzt? 

Die KI ist ein sehr komplexes statistisches Verfahren. Sie wird mit riesigen Datenmengen gefüttert und kommt auf dieser Basis zu ihren Ergebnissen. Sie steht morgens auf und ist ohne die bei Menschen natürlichen Leistungskurven den ganzen Tag über zu 100 Prozent einsatzbereit. Die KI funktioniert gleichförmig gut – ist aber deshalb nicht intelligenter als der Mensch, weil sie immer nur das leisten kann, worauf sie programmiert ist. Ein großer Nachteil der KI ist, dass man nicht wirklich versteht, was sie eigentlich macht. Man kann das Ganze mit der Funktion eines Automotors vergleichen. Dieser springt an, wenn wir einsteigen und den Schlüssel umdrehen. Falls dies nicht gelingt, kann man bei neueren Modellen mit einem Blick in den Motorraum nicht mehr erkennen, worin das Problem besteht. Es handelt sich letztlich um eine Black Box, deren Funktion man kaum nachvollziehen kann. Bei der KI ist das ähnlich.

Bleibt die selbstfunktionierende Medizin also noch ein Traum?

Wenn Sie mich im Jahr 3023 fragen würden, wäre die Antwort wahrscheinlich so, dass wir bald soweit sind. Das ist aber erst in 1.000 Jahren. Dessen ungeachtet setzen wir bereits einige KI-gestützte Verfahren ein, die dem Patienten zugutekommen. Bei anderen Dingen wie vor allem bei der automatischen Diagnose bin ich noch skeptisch. Denn immer dann, wenn sich die Situation anders als der vorgegebene Algorithmus entwickelt, treten große Probleme auf. Es wird also erst einmal nicht ohne den Arzt gehen, der sich den Patienten zunächst genau anschaut und die jeweils erforderliche Fragestellung festlegt. Denn eines gilt nach wie vor: Wenn wir genau wissen, wonach wir in der Diagnostik suchen müssen, können wir auch gute Ergebnisse liefern. Darüber hinaus müssen die am PET oder MRT erstellten Bilder nach wie vor durch den Arzt aufgearbeitet und interpretiert werden. Der so erarbeitete Befund fließt dann als wesentliches Element in den Behandlungsprozess ein. Dabei kann es auch immer sein, dass wir im Rahmen der Diagnostik etwas völlig anderes finden, als zuvor zu erwarten war. Der Arzt kann dann sofort reagieren, die KI schafft das nicht von allein.

Steht Ihr Team auch im Akut-Fall sofort bereit? 

In unserer Abteilung gibt es einen “rund um die Uhr“ CT-Betrieb. Das bedeutet, dass wir in Notfällen wie etwa dem Verdacht auf innere Blutungen oder einen Schlaganfall sofort verfügbar sind und umgehend für eine verlässliche Diagnose sorgen.

Was können Sie besser als ein mit ähnlichen Geräten ausgestattetes Krankenhaus X oder Y?

Im Herz- und Diabeteszentrum liegt unser inhaltlicher Fokus insbesondere auf Herz-Kreislauferkrankungen. Entsprechend groß ist unsere Expertise auch bei Untersuchungen entsprechender Erkrankungen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir verfügen über ein spezielles CT mit einem sehr breiten Detektor, mit dem wir bewegungsfreie Bilder von den Herzkranzarterien gewinnen können. Dies so präzise und zuverlässig hinzubekommen, ist ansonsten allenfalls mit einem deutlich größeren Geräteaufwand möglich.

Gibt es bei Ihnen auch so etwas wie einen Star unter den medizinischen Geräten?

Jein. Auch bezüglich der Wissenschaft haben wir zwei Hauptschwerpunkte. Der eine ist die Kernspintomographie. Hier verfügen wir über ein extrem leistungsfähiges Gerät, das von außen eher unscheinbar aussieht, mit dem wir zum Beispiel aber auch Patienten mit einem Herzschrittmacher untersuchen können, bei denen das sonst weniger gut funktioniert.  

Die andere Besonderheit ist, dass wir hier neben einem eigenen PET/CT eine Radiopharmazie haben, die Substanzen anfertigen kann, mit denen auch eine Diagnostik auf molekularer Ebene möglich ist. So zeigt uns zum Beispiel die Substanz GP1, ob und wo sich Thromben im Körper befinden bzw. entwickeln können. Wir haben das Verfahren zuerst bei Patienten mit Herzunterstützungssystemen und mit künstlichen Herzklappen eingesetzt, um das bei diesen Patienten erhöhte Risiko für einen Schlaganfall oder eine Lungenembolie zu reduzieren. Dieses Verfahren wird von uns mit großem Erfolg – und sonst nirgendwo – angewendet und wissenschaftlich aufbereitet. Wir haben dazu im Rahmen von Forschungsarbeiten bereits erste Publikationen veröffentlicht.

Sind in der Radiologie eingesetzte Untersuchungsverfahren heute sicher und ungefährlich?

Ja. Die gute Botschaft für die Patienten und auch das Personal ist, dass sich die Technik deutlich verbessert hat. Die Strahlenbelastung bei Untersuchungen etwa zur Darstellung der Herzkranzgefäße ist inzwischen derart gering, dass sie knapp einem Fünftel der natürlichen jährlichen Belastung aus der Umwelt entspricht. Radiologische Verfahren sind gleichwohl wie viele andere Untersuchungen nicht völlig frei von Nebenwirkungen. Im Vergleich zum Erkrankungsrisiko stellen sie aber ein verschwindend geringes Risiko für die Gesundheit des Patienten dar.

Was macht Sie im Beruf zufrieden und vielleicht sogar glücklich? 

Sicher nicht die monatliche Überweisung auf das Konto. Sehr viel wichtiger ist, wenn man erlebt hat, dass die eigene Arbeit erfolgreich und besonders gut war. Wenn man zum Beispiel die Ursache für eine Erkrankung findet, die vorher noch nicht abgeklärt war, ist das für einen Diagnostiker ein Gefühl des höheren Glücks. Genau das gelingt im HDZ oft auch durch die gute Zusammenarbeit mit den klinischen Kollegen. Nicht zuletzt macht es mich natürlich auch zufrieden, wenn in unserer Abteilung alles zur Zufriedenheit läuft. Dass wir hier über ein gutes Arbeitsklima verfügen, liegt sicher auch daran, dass wir einerseits freundlich miteinander umgehen und zum anderen die Arbeit mit immer wieder neuen, interessanten Fragestellungen auch eine intellektuelle Herausforderung für die Mitarbeitenden ist.

Warum ist das HDZ für sie attraktiver als ein Zentrum in größeren Städten? 

Man muss das differenzieren. Rein vom Freizeitaspekt gesehen, sind Städte wie Berlin oder München natürlich attraktiver als Bad Oeynhausen, wobei man es sich hier auch etwa beim Wandern, Fahrradfahren oder anderen Aktivitäten gut gehen lassen kann. Für mich ist der fachliche Aspekt entscheidend. Ich bin nicht so vermessen zu sagen, dass wir im HDZ die Besten in unserem Bereich sind. Bezüglich der Leistungsfähigkeit unserer medizinischen Einrichtung sind wir aber nicht weit weg davon. Dass die Qualität der hier geleisteten Arbeit einfach hervorragend ist, macht mir auch persönlich Freude. Und noch eines schätze ich sehr: Im HDZ steht bei der Behandlung der Patienten nie allein der finanzielle Aspekt im Fokus. Für uns ist vielmehr völlig klar, dass wir mit einer Medizin auf Top-Niveau gemeinsam alles dafür tun möchten, unsere Patienten gesund zu machen.

Univ. Prof. Dr. med. Wolfgang Burchert

Prof. Dr. Wolfgang Burchert hat sein Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover absolviert, wo er bis 1998 als Fach- und Oberarzt für Nuklearmedizin tätig war. Prof. Burchert leitete 1997 als Kommissarischer Direktor die Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. 1998 erfolgte seine Berufung auf die C 3-Professur für Nuklearmedizin mit dem Schwerpunkt Positronen-Emissions-Tomographie an die Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden.  

Seit 2001 ist Prof. Burchert Direktor des Instituts für Radiologie, Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung im Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. 2002 wurde er zum Professor für Nuklearmedizin an der Ruhr-Universität Bochum berufen. Dort ist Prof. Burchert seit 2009 Leiter der Ethikkommission. Er ist unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin und ist Mitglied im Ausschuss Strahlenschutz in der Medizin in der Strahlenschutzkommission, die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit berät. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen wissenschaftliche Arbeiten zur Positronen-Emissions-Tomographie und zur nichtinvasiven Bildgebung des Herzens.  

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